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The Grexits - Info
ON THE HIGHWAY TO HELLAS
Der Name dieser Münchner Band um den Singer-Songwriter und Gitarristen Nikos Papadopoulos setzt sich aus Greece und Exit zusammen. Eine gängige Polit-Kombination, die in diesem Fall bedeutet, dass Griechenland aus der Eurozone rausfliegen würde. Der Name ist Haltung und Programm. Die Frage, ob die Band so heißen würde, wenn Deutschland seine so berüchtigten wie immensen Kriegsschulden jemals an Hellas bezahlt hätte, lassen wir mal so stehen.
In den späten 80er-Jahren begann Nikos Papadopoulos Bouzouki und Baglamas zu spielen und sich mit Rembetiko zu beschäftigen, die griechische Volksmusik der (Hafen-)Städte, die Musik der kleinen Gauner und Habenichtse, die in den 20er/30er-Jahren ihre Blütezeit erlebte. Die Songs handelten vom Alltag: Armut, Drogen, unglückliche Liebe, Knast und Krankheit. Rembetiko ist für Griechenland das, was der Blues für den amerikanischen Süden oder der Fado für Portugal ist.
Bald darauf gründete Nikos die traditionelle Rembetiko-Gruppe Ta Mourmourakia, die mit dem Film „Bach & Bouzouki“ mehr Bekanntheit erlangte und heute sehr gefragt ist. Ta Mourmourakia war auch Geburtshelfer von The Grexits, als die Gruppe 2013/14 bei zwei im Münchner Club Milla organisierten Benefizveranstaltungen mit dem Titel „Highway to Hellas“ aufspielte, um die Metropolitane Sozialklinik in Hellenikon in Athen bzw. die Flüchtlingsinitiative Lathra auf der griechischen Insel Chios zu unterstützen. The Grexits entstanden. Als internationale Rückendeckung stießen Josip Pavlov und Daniel „Murena“ Tanqueray dazu, später ersetzt durch Simon Dieu und Albert Pöschl, hinter denen auch die Bands Das Weiße Pferd, Murena Murena und 4shades stecken.
Anders als Ta Mourmourakia sind The Grexits eine astreine Popgroup, mit Einflüssen aus Surf, Punk und Psychedelic – und eben auch Rembetiko. Interpretierte die Band auf ihrem selbstbetitelten Debüt von 2017 noch verschiedene Rembetiko-Klassiker, taucht auf dem Nachfolger „For Sale“ (2019) nur einer auf. Dafür erhalten andere Vorlieben und Einflüsse mehr Raum und haben die Grexiteers, Albert Pöschl, Josip Pavlov und Simon Dieu, stärker mitgemischt. Der Eindruck, The Grexits seien eine Neo-Rembetiko-Band, soll gar nicht erst entstehen. Also werden harsche Brüche zwischen einem astrein traditionell gespielten Jiorgos Katsaros-Stück, Punk- und Krautrock-Elementen nicht geglättet, sondern klar ausgestellt. Die Rembetiko-Tradition spiegelt sich derweil in den Texten von Papadopoulos. Rembetiko-Songs sind vor allem Klagelieder: gesellschaftliche, amouröse oder alltägliche Klagen. Und so schreibt Papadopoulos keine nette Poesie. „Mit einem Fetzen Stoff voller Blut hast du mich schon wieder eingewickelt ... Aber jetzt werde ich dich damit einwickeln, weil es so nicht weitergeht“, heißt es in „Η ΣΥΝΕΧΕΙΑ / I SINEHIA / Die Fortsetzung“. „Ich gehe weg aus deinem Leben, dann kannst du mich nicht mehr verletzen. Wieso kommst du jetzt und jammerst mir was vor? Du kümmerst mich nicht mehr“, sagt eine Frau in „ ΤΟ ΤΕΛΟΣ / TO TELOS / Das Ende“. Oder ein Vers aus „DAS VERBOTENE / ΝΤΑΣ ΦΕΡΜΠΟΤΕΝΕ“: „Dein Blick schlitzt mir die Brust auf, Rosalie, du hast mich dazu gebracht, die Welt mit anderen Augen zu sehen, doch ich rufe deinen Namen und du drehst mir den Rücken zu.“ Erinnern wir uns daran, dass alte Blues-Songs oft als Code zu verstehen waren – war etwa eine Frau abgehauen und wurde beschimpft, war damit eigentlich ein fieser Landlord gemeint, den man aber nicht offen beschimpfen durfte –, könnte man auf die Idee kommen, dass es in Papadopoulos' dysfunktionalen Lovesongs vielleicht noch um mehr geht. Vielleicht um die Straßensperren auf dem Highway to Hell via Hellas, vielleicht um weltliche Zustände, mit denen man nicht klarkommt. Auch der lässig daherkommende The Kinks-Song „Tired Of Waiting For You“ wird in der Grexits-Version zu einem Klagelied und dabei musikalisch quasi auf einen anderen Planeten verschoben. Eine Parallele zum ersten Album, auf dem The Grexits „A Hard Day´s Night“ brachial wie ein Arbeiterkampflied interpretierten; „die beste Coverversion des Beatles-Klassikers seit Peter Sellers“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Noch eine Parallele zum Debüt: Auf jenem spielte die Band „M´ Enan Kafetzi Blegmeni“ von Jiorgos Katsaros. Diesmal dabei: dessen Rembetiko-Klassiker „ΧΤΕΣ ΤΟ ΒΡΑΔΥ ΣΤΟΥ ΚΑΡΙΠΗ / HTES TO VRADY STOU KARIPI / Gestern Abend bei Karipis“. Das Lied gehört zu den frühen Rembetika, Murmurika genannt, was von murmuriso/murmeln kommt und im Namen Ta Mourmourakia steckt. Katsaros erzählt darin von einem berüchtigten „Tekes“ in Piräus, vom Tempel in Karipis, in dem die sogenannte Haschischmesse zelebriert wurde, und von einem Abend, an dem mit gezinkten Würfeln gespielt wurde und die Gauner damit durchkamen. Jiorgos Katsaros (1888-1997) ist „ein Mythos der Rembetiko-Musik in den USA“ (Davidopoulos), er wurde in New York oder Boston gefeiert, hatte Hauptrollen in Hollywood, war mit Chaplin, Bogart und Jean Harlow befreundet. Er war der internationale Botschafter einer Musik, die aus der Unterschicht kam und die in ihrem Herkunftsland, als die Deutschen einrückten, verschwinden musste: „Es ist wohl keine Erklärung nötig, warum der Faschismus eine Art natürlicher Feind von Rembetiko und den Rembetes war.“ (Davidopoulos)
Um einen weiteren Cover-Song auf „For Sale“ zu zitieren, diesmal von der belgischen Punk-Band The Kids: „This Is Rock'n'Roll“!
The Grexits sind: Nikos Papadopoulos (Gesang, Gitarre), Albert Pöschl (Gitarre, Gesang), Simon Dieu (Bass), Josip Pavlov (Schlagzeug)
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Bird Control - Info
The Future Sound Of Trash
Seit mehreren Jahren beobachtet man das Phänomen, dass in die Jahre gekommene 90s-Rocker trotzt gedimmter Hormonpegel zu den Waffen greifen. Ein fragwürdiges Unterfangen, denkt der in die Jahre gekommene Musikfan. Die 4 Musiker der Band Bird Control verdienen sich in dieser Ära ihre Sporen u.a. bei Mucus 2, Monochords, AIR 6 und Jeans Team. Als Drummer prägt Gunther Kreis mit der Band Jeans Team den Berliner Underground. Die Band bewegt sich in den Anfängen vor allem zwischen Punk, Kraut und experimenteller Elektronik. Er steigt bereits 2003 aus, aber sein krautiger Einfluss taucht heute bei Bird Control wieder aus den Sümpfen des Rock ́n ́Roll auf.
Chris Schmitt und Andrew Pekler sind bereits in den 90ern erfolgreich mit der Garagen-Band Mucus 2 unterwegs, begleitet unter anderem von Viva TV. Ihr Album „Excitation“ landet im Rolling Stone auf der Liste der 100 besten Geheimtipps. Mit den REMOTES folgen weitere gemeinsame Veröffentlichungen und Touren. Andrew Pekler veröffentlicht zudem seit '97 unter seinem eigenen Namen sowie diversen Pseudonymenelektronische Musik auf diversen Labels, u.a. Matador und Faitiche. Stefan Rohmund tourt in dieser Zeit mit den im Ruhrgebiet ansässigen Bands AIR 6, The Raymen und The Iron Cobra Orchestra ausgiebig durch Deutschland.
In ihrem Berliner Studio entwickelt die Band seit 2021 eine klanglich breite Mischung aus Garage-Punk, Psychedelia und eingängigem West Coast-Sound. Der Beat stampft, die Rasseln rasseln, darüber breiten sich mehrere Schichten wohltemperierten Gitarrenkrachs, geschliffen durch handverlesene Tretminen. Die jahrelange Erfahrung muss ja zu etwas gut sein. Der Bass wird dabei abwechselnd von einem der Gitarristen übernommen, genauso wie die Orgelparts. Zusammengefasst wäre Moody Psychedelic Garage Punk die passende Schublade, doch wo gibt es die? Seit 2023 kommen die vier Musiker nun auch mit Wucht zurück auf die Bühnen der gebeutelten Republik.
Bird Control sind: Gunther Kreis (Drums), Andrew „Sad Rockets“ Pekler (Gitarre), Stefan „Siegerlandelvis“ Rohmund (Gitarre), Chris „Cannonball“ Schmitt (Gitarre + Gesang)
Event Venue & Nearby Stays
KulturMarktHalle, Hanns-Eisler-Straße 93, Berlin, Germany