Holt uns die DDR wieder ein?

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Holt uns die DDR wieder ein?
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Katja Adler meint: "Viele Ostdeutsche wissen Freiheit und Demokratie mehr zu schätzen, als so mancher gemeinhin zu glauben bereit ist."
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Sie hat beide Systeme bewusst erlebt, auch wenn die Wende für ihre Generation noch so rechtzeitig kam, „dass sie sich nicht mehr in die lange Trabi-Anmeldeschlange stellen musste“. Die heute 50-jährige Katja Adler wuchs in Eisenhüttenstadt auf, arbeitete als Verwaltungswirtin in den neuen Bundesländern, bevor sie 2002 in den Westen, nach Rheinland-Pfalz zog. 2010 trat sie in die FDP ein und ist seit der letzten Bundestagswahl einer der 91 Abgeordneten ihrer Fraktion. Mit dem Buch „Rolle rückwärts DDR?“ meldet sie sich jetzt auch als Autorin zu Wort. Sie habe sich das von der Seele schreiben müssen, sagt sie.

Dabei ist sie nicht die erste, die autoritäre Tendenzen in der Bundesrepublik beklagt, sei es im Zusammenhang mit der Pandemie- oder der Klimapolitik oder auch dem informellen Meinungsdruck durch Leitmedien. Was Katja Adlers Einlassungen jedoch besonders diskussionswürdig macht und ihnen eine sehr aktuelle Wichtigkeit gibt, ist ihre Deutung der angeblich antidemokratischen Tendenzen in den östlichen Bundesländern, also der früheren DDR.

Der Liedermacher Wolf Biermann diagnostizierte als Erklärung für die hohen Zustimmungswerte ostdeutscher Wähler für AFD und BSW eine Charakterschwäche vieler Ostdeutscher: „»Die, die zu feige waren in der Diktatur, rebellieren jetzt ohne Risiko gegen die Demokratie“, sagte er. Katja Adler würde dem wohl nicht zustimmen, denn eine solche Auffassung verkenne „in fataler Weise, dass eben genau dieser Teil unserer Gesellschaft eigene und oft sehr schmerzhafte Erfahrungen mit fehlender Demokratie gemacht hat. Zu wissen, was fehlende Demokratie bedeutet, ist ganz weit entfernt von fehlendem Demokratieverständnis. Im Gegenteil, da oft erst der Verlust oder das Missen das Bewusstsein für den eigentlichen Wert des Fehlenden stärkt, wissen viele Ostdeutsche Freiheit und Demokratie möglicherweise mehr zu schätzen, als so mancher gemeinhin zu glauben bereit ist“.

Und so sei es auch möglicherweise gerade eine hohe Sensibilität gegenüber autoritären und totalitären Tendenzen in der deutschen Politik, die die Unzufriedenheit im Osten besonders schüre. Nicht von ungefähr sei die Pandemiepolitik der Auslöser des zunehmenden Widerstands gewesen. Eher anekdotisch merkt Katja Adler an: „Die ehemalige DDR hielt in den Monaten der Corona-Pandemie ausgesprochen viele Vergleichsmöglichkeiten bereit, die so manchem, vor allem im Osten sozialisierten Mitbürger deutliches Unbehagen bescherten. Das begann schon beim Kampf um die letzte Rolle Toilettenpapier, der zu viele lockdowngeplagte Menschen so manches Mal am leeren Metallcontainer oder Supermarktregal hat verzweifeln lassen – 1985 genauso wie 2020“. Aber gravierender seien natürlich „die zumeist noch sehr präsenten Erinnerungen an die Einschränkungen der persönlichen Freiheit, der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder der Berufsfreiheit, die wieder aufkeimten.“

Dass die bundesdeutsche Politik heute die grüne Transformation der Wirtschaft in den Vordergrund stellt und das Drohszenario katastrophaler klimatischer Kipppunkte den allgegenwärtigen Hintergrund von Verbotsankündigungen und Verzichtsappellen bildet, scheint im Osten geradezu auf Widerstand stoßen zu müssen. Katja Adler meint: „Angesichts der auch ökonomischen Ziele, Träume und Wünsche, die die Ostdeutschen mit der Wende und dem Beitritt zur kapitalistischen Bundesrepublik verbanden und noch immer verbinden, haben sie schließlich vierzig Jahre sozialistische Planwirtschaft aufzuholen, klingt für sie Postwachstum wie eine bewusste Täuschung auf hohem ökonomischem Niveau.“

Auch die zunehmende politische Aufmerksamkeit, die die „Gemeinwohlorientierung“ von Unternehmen findet, trägt nach Ansicht der Autorin dazu bei, die Prosperitätserwartungen Ostdeutscher zu frustrieren. Denn es gehe dabei um „eine Gesellschaft, in der das Gemein- oder Gesamtinteresse in der wirtschaftlichen Betätigung in den Fokus genommen wird. Individual- oder Gruppeninteressen sind marktkapitalistische Egoismen, die es staatlich zu regulieren und möglichst weit zurückzudrängen gilt“. Adler schlussfolgert: „Die Nähe zum sozialistischen Gedanken der Planwirtschaft lässt sich nur schwer ignorieren, sollte doch auch in der DDR nicht nur die Volkswirtschaft der Stärkung der sozialistischen Ordnung dienen.“

Die FDP-Politikern Katja Adler ist ein Fan der individuellen Handlungsfreiheit. Was sie fürchtet, ist die Wiederherstellung der DDR, d.h. eines „Sozialismus, der keine Arbeitslosigkeit kennt, allen Menschen eine bezahlbare Wohnung garantiert, Lebensmittel genossenschaftlich organisiert, Mobilität gezielt strukturiert, Ferienreisen vereinzelt gönnt, Eigentum allen gemeinschaftlich zuspricht und Gleichheit in jedem Fall und vor allem fördert“. Die Nähe eines solchen Zielzustandes von vielem, was heute im Kontext „nachhaltiger“ Gesellschaftsgestaltung eine breite Zustimmung – auch im Westen – finden dürfte, macht Katja Adler Sorgen. Als FDP-Politikerin erkennt sie darin das Ende der liberalen Demokratie. Als gebürtige Ostdeutsche befürchtet sie in einer solchen Entwicklung eine Rolle rückwärts hin zu einer autoritären Demokratie wie sie in der DDR existierte.

Im Anschluss an die Buchvorstellung planen wir eine Diskussionsrunde mit Politikern.

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