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Sergio Raimondi (geboren 1968 in Bahía Blanca, Argentinien) erschütterte mit nur einem Gedichtband, seinem Debüt „Poesía Civil" aus dem Jahr 2001, die Grundfesten der modernen argentinischen Literatur. Die deutsche Ausgabe „Zivilpoesie" (Verlag Reinecke & Voß 2017) liegt in der Übersetzung von Timo Berger vor. Raimondi geht darin von seiner Heimatstadt Bahía Blanca mit ihrem ehemals wichtigsten Getreideumschlaghafen der Pampa aus und erkundet von dort die Auswirkungen einer sich rasant globalisierenden Welt. Seine Gedichte können Meditationen über Frachtstatistiken sein oder Auseinandersetzungen mit dem Problem der Zeichentheorie und der Finanzreform. In einem Text erörtert er den Zusammenhang zwischen „einer ausschweifenden Beschreibung des Mondes“ und der monetären Freizügigkeit einer Gesellschaft, in einem anderen zieht er Verbindungen zwischen Metrik und einem Regler, den James Watt einst in einer Dampfmaschine installierte. Es geht um Heizkraftwerke und Mülltrichter sowie Gesten des Aufbegehrens, jene stille Feier der kleinen Sabotagen im Arbeitsalltag. Einmal heißt es: „Was überdauert, zeugt nicht von Qualität, sondern vom Gefüge / der Materialien und der Macht, sie zu besitzen ...“ An seinem lange erwarteten, zweiten Gedichtband „Lexikón" (2022) schrieb Raimondi über 20 Jahre. (Auszüge aus dem Buch erschienen 2012 bei Berenberg unter dem Titel Für ein kommentiertes Wörterbuch, abermals in der Übersetzung von Timo Berger.) Raimondi führt darin das aufklärerische Projekt der Enzyklopädie mit poetischen Mitteln ins 21. Jahrhundert. Versammelt sind Gedichte als Lexikoneinträge, die mit allen diskursiven Wassern gewaschen sind. Es geht um Reaktoren, die Meerwasser entsalzen, Industriemelanismus bei Birkenspannern oder um Massengutfrachter, die „in zwei verliebte Hälften“ auseinanderbrechen. Die ganze Welt findet Eingang in dieses Buch. Raimondi vermag es, in nur wenigen Zeilen die Grundsatzfragen der politischen Ökonomie am Beispiel des Transports eines vakuumierten Langschwanz-Seehechts anschaulich zu machen. Seine Dichtkunst ist wie ein „Muskel, der abstrahieren kann“.
Die Veranstaltung wird spanisch-deutsch gedolmetscht.
Mit freundlicher Unterstützung von ECHOO Konferenzdolmetschen
Mit freundlicher Unterstützung des Berliner Künstlerprogramm des DAAD
In Lesung & Gespräch: Sergio Raimondi
Moderation: Ana Rocío Jouli
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Event Venue & Nearby Stays
Knaackstraße 97 (Kulturbrauerei), 10435 Berlin, Germany, Knaackstraße 97, 10435 Berlin, Deutschland,Berlin, Germany
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