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Sich die Erde untertan zu machen, ist eine alttestamentarische Idee, die sich seit der Renaissance mit einem Bild des Menschen von sich selbst verbindet, das ihn ins Zentrum der Welt stellt. Ausdruck dessen ist vor allem auch unsere westliche Rechtsordnung. „Die Würde des Menschen ist das zentrale Leitbild heutiger europäischer Verfassungen. Die Natur kommt in diesem Leitbild nicht vor“, stellt der Umwelt- und Planungsrechtler Bernd Söhnlein in seinem Buch „Die Natur im Recht“ fest.
Seit Darwin wüssten wir zwar, so Söhnlein, „dass die Vorstellung eines an der Spitze der Hierarchie innerhalb der Natur stehenden Menschen eine grandiose Selbstüberschätzung ist. Homo sapiens ist keineswegs der Schlussstein der Evolution, sondern ein Seitenzweig eines riesigen und uralten Lebensbaumes. Ein Säugetier aus der Familie der Menschenaffen, dem das Spiel des Lebens besondere Gaben zugeteilt hat“. Trotz dieser Relativierung und trotz der naturwissenschaftlich begründeten Abhängigkeit von einer „komplexen Biosphäre, die nicht beliebig ausgebeutet und umgestaltet werden kann, ohne dass sich die Lebensbedingungen des Menschen und vieler anderer Arten dramatisch verschlechtern“, haben wir es bisher nicht geschafft, eine ökologische Rechtsordnung zu schaffen, die die Natur als Rechtssubjekt anerkennt.
Tatsächlich ist die Vorstellung, der Natur Eigenrechte zuzugestehen und neben der Menschenwürde eine eigene Würde der Natur als Grundwert in der Verfassung zu verankern, mindestens gewöhnungsbedürftig. Die witzig gemeinte Frage „Kann mich dann mein Kaktus verklagen, wenn ich ihn nicht gieße?“ drückt dieses Verständnisproblem aus.
Wie Bernd Söhnlein feststellt, geht es auch gar nicht darum, dir „Natur mit ihren nichtmenschlichen Lebewesen zu ‚vermenschlichen‘, indem man sie als Träger von Rechten genauso wie menschliche Individuen oder juristische Personen behandelt. Rechte der Natur sind vielmehr ein Konstrukt, um die nichtmenschliche Natur mit den Mitteln des Rechts gegen die Ansprüche des Menschen zu verteidigen“. Der Jurist begründet aber, wieso es auch nicht ausreicht, das Eigeninteresse der Menschheit an einer intakten Umwelt quasi aus Selbsterhaltungsgründen mit Naturschutzgesetzen festzuschreiben und darauf zu vertrauen, dass ruinöse Praktiken des Menschen dadurch wirksam verhindert werden. Es ist der Objektstatus der Natur, den wir korrigieren müssen: „Die nichtmenschliche Natur ist in der Rechtsordnung nach wie vor nur ein Objekt, das grundsätzlich der Verfügungsgewalt des Menschen unterworfen ist. Um eine Rechtsgemeinschaft mit der Natur zu begründen, reicht es deshalb nicht aus, allein mit der Nützlichkeit der Natur für das Überleben der Menschheit zu argumentieren.“ Man müsse vielmehr der Natur z.B. so etwas wie ein Eigentumsrecht an sich selbst geben.
Dann wird es juristisch verhandelbar, Rechte der Natur und Rechte des Menschen gegeneinander abzuwägen, so dass z.B. das Eigentumsrecht der Natur nicht nur das Eigentumsrecht des Menschen begrenzt, sondern auch dessen Freiheitsrechte: „Wenn ein Fluss in den Sommermonaten in großer Zahl von Booten und Kanus befahren und dadurch die Gewässerökologie und die Tierwelt eines Flusses beeinträchtigt werden, nutzen die Menschen nicht ihr Eigentumsrecht, sondern sie machen von ihren Freiheitsrechten Gebrauch. Hier kollidiert also das Eigentumsrecht der Natur mit der allgemeinen Handlungsfreiheit."
Wie es rechtsphilosophisch, aber auch praktisch begründbar und handhabbar wäre, Eigenrechte der Natur festzulegen, führt Söhnlein in seinem Buch aus, das er zwar als „Vision einer ökologischen Rechtsordnung“ untertitelt, in dem man aber auch erfährt, dass es bereits erste Konkretionen dieser Vision gibt. So hat der spanische Staat vor drei Jahren beschlossen, einer der größten und massiv bedrohten Salzwasserlagunen in Europa den Rechtsstatus einer Person zu verleihen. Und Ecuador hat als weltweit erstes Land die vollen Rechte der Natur in seiner Verfassung von 2008 anerkannt. Mehrere ecuadorianische Organisationen nutzen dieses rechtliche Instrument inzwischen, um große Bergbauprojekte im Land zu verhindern. Ob es sinnvoll ist, Naturschutz-NGOs mit der Vertretung der Rechte der Natur zu betrauen, diskutiert Söhnlein kritisch. Er beleuchtet auch die Frage, ob ein institutionalisiertes Eigenrecht der Natur nicht vielleicht autoritäre Tendenzen hin zu einer „Ökodiktatur“ fördern könnte. Und er geht auf Perspektiven ein, die die Künstliche Intelligenz für das Thema bereithält: „Vielleicht eröffnen digitale Formate dabei ganz neue Perspektiven, indem man virtuelle Personen (Avatare) für Arten, Landschaften oder Lebensgemeinschaften sprechen lässt.“
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stratum lounge, Boxhagener Straße 16, Berlin, Germany
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